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Als wir Teenager waren, war man entweder Fan von Slade oder SWEET (zu Beginn The Sweet). Ich gehörte eindeutig zum Sweet-Lager und habe damals meine Cowboy-Boots silbern angesprüht, total Glam-Rock! Und an der Wand hing der Bravo-Starschnitt von Sweet.
Während Slade oft als die raueren, härteren Party-Rocker in Erinnerung geblieben sind, wurden Sweet oft unterschätzt. Ihr Repertoire reicht von Bubblegum-Pop bis hin zu Glam-Hymnen, von radiotauglichen Hits bis zu echtem Heavy Rock. Selbst eingefleischten Fans fällt es manchmal schwer, ihre stilistischen Veränderungen zu definieren. Wie unser MF "Rockslave" bereits bei der Veröffentlichung von «Platinum Rare 1» vorausgeschrieben hatte, sei es gut möglich, dass nach «Platinum Rare 1» noch mehr auftauchen wird. Und hier ist es: «Platinum Rare 2», eine Doppel-Compilation mit Rough Mixes, Demos, Outtakes und Instrumental-Stücken, aufgenommen von der klassischen Besetzung der 1970er Jahre.
Nach einer limitierten US-Pressung zum "Record Store Day" ist sie nun endlich weltweit auf LP und CD erhältlich. Musikalisch ist dieses Set so vielfältig wie die Karriere von Sweet selbst. Einige Tracks lehnen sich überraschend an Slade an («Need A Lot Of Lovin'»), andere sind pure Glam-Attitüde («Solid Gold Brass», «Cover Girl»), und ein paar wenige wagen sich in unerwartete Gefilde vor, von freakig und verspielt («Oh Yeah») bis hin zu 100% Kitsch («Lady Of The Lake»). Es gibt auch Momente, in denen der Sweet-Funke überspringt: Die rohe Energie von «Are You Coming To See Me» und die reduzierten Demos von Andy Scott («Love Is the Cure», «Fox On The Run») offenbaren eine Band voller Ideen und verborgener Tiefe, die weit über ihr glitzerndes Image hinausgeht.
Es handelt sich nicht um eine Greatest-Hits-Zusammenstellung, davon ist es weit entfernt. Stattdessen bietet «Platinum Rare 2» einen Blick hinter die Kulissen des kreativen Schaffens von Sweet. Tracks wie der Rough-Mix von «Action» sind nach wie vor voller Hooks und Attitüde. «Identity Crisis» deutet den späteren, härteren Sound an und die Instrumental-Stücke («Own Up», «Too Much Talking») zeigen, wie musikalisch diese Glam-Legenden sein konnten, wenn sie ihre Pailletten ablegten. Ist jeder Song ein Juwel? Nein, ganz sicher nicht. Einige Stücke wirken trivial, andere übertrieben, doch gerade das ist Teil des Charmes. Was das Album ausmacht, ist die pure Überzeugung in jeder Performance, selbst in den unfertigen. Man hört eine Band, die Ideen verfolgt, experimentiert und vor allem Spass daran hat.
Ab dem 8. August können Fans mit Sweet «Fanny Adams Revisited» nun noch tiefer eintauchen: einem Live-Set aus dem Jahr 2012, bei dem Sweet ihr bahnbrechendes Album aus dem Jahr 1973 in voller Länge spielten, mit Andy Scott, Pete Lincoln, Tony O'Hara und Bruce Bisland. Für Sammler und langjährige Fans ist «Platinum Rare 2» ein weiteres Muss: eine Fundgrube mit unveröffentlichtem Material aus den 70ern, das daran erinnert, dass Sweet weit mehr waren als nur Glitzer und grosse Refrains. Für Gelegenheits-Zuhörer? Es ist eine faszinierende, manchmal unausgewogene, aber letztlich lohnende Reise durch die rauen Ecken der Glam Rock Geschichte. Ich habe die Band gerade letzte Woche in Appenzell live erlebt, und auch wenn Andy Scott noch immer angeschlagen wirkt, springt der Funke stets über.
Lukas R.